Exklusivität für alle

Über: ein neues Opernhaus für Hamburg - ein neues Publikum für die bestehende Oper - Legitimitätsprobleme der Hochkultur

Ein Geschenk soll das neue Opernhaus sein. Hamburg muss nur den Gabentisch besorgen: ein hochwasserfest gemachtes Baugrundstück direkt am Fluss. Dann will der Unternehmer Klaus-Michael Kühne seiner Geburtsstadt den kompletten Bau da draufstellen, schlüsselfertig und auf dem neuesten Stand der Bühnentechnik. Herzlichen Glückwunsch! Könnte die Freude noch größer sein? Stand jetzt: durchaus.

Continue reading

Nachruf Rudolf Horn, 96

Über: Schrankwände wie Plattenbauten fürs Wohnzimmer (von Plattenbauten)

Könnte sein, dass ausgerechnet die Arbeiten des Möbelgestalters Rudolf Horn zu den Dingen gehören, die den Osten und den Westen Deutschlands bis heute fundamental trennen.

Im Westen dürfte das bekannteste Möbelstück von Horn nämlich der Freischwinger „Konferstar“ sein, eine deutlich komfortablere Variante von Mies van der Rohes berühmtem „Barcelona Chair“ von 1929. Horn hatte sich im Leipziger Grassimuseum eines schönen Frühsommertages, als die Wärter nicht hinschauten, auf der Designikone niedergelassen. Er fand sie so verehrenswert, so schön – und dann allerdings auch so enttäuschend unbequem, dass er nach Hause lief, um… Continue reading

Straßenkampf mit Name und Anschrift

Über: Mohrenstraße - Anton-Wilhelm-Amo-Straße - aber auch Helmut-Kohl-Allee und Harald-Juhnke-Platz

Im Vorgarten der Botschaft von Nordkorea steht an diesem Tag eine Hebebühne, und eine Frau mit Pferdeschwanz streicht gewissenhaft den Fahnenmast neu an. Das ist schon deshalb bemerkenswert, weil man dort sonst nie einen Menschen sieht, nur eisern zugezogene Vorhänge hinter sämtlichen Fenstern. Außerdem steht Nordkoreas Botschaftsgebäude, ein sachlicher Bau von DDR-Architekten, exakt dort, wo bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs das berühmte Luxushotel Kaiserhof stand, in dem Hitler seine Wahlkampfzentrale hatte, auch weil er von dort die schräg gegenüberliegende Reichskanzlei in den Blick nehmen konnte. Continue reading

Ausstellung zum Massaker auf dem Nova-Festival

Interview mit Ofir Amir

Der Dancefloor ist dekoriert wie damals, die verlassenen Zelte sind da, die ausgebrannten Autos, die Toilettenkabinen mit den durchschossenen Türen: Alles ist so wie am 7. Oktober vor zwei Jahren, als Kommandos der Hamas das Trance-Festival Nova im Süden Israels überfielen, Hunderte Menschen umbrachten, 44 als Geiseln verschleppten. Ofir Amir, 1983 in Offenbach geboren, in der Nähe von Frankfurt aufgewachsen und im Alter von elf Jahren nach Israel umgezogen, hat den Angriff schwer verletzt überlebt. Er war der Veranstalter des Festivals. Nun gehört er zu den Organisatoren der Wanderausstellung „Nova Music Festival Exhibition“, die vom 7. Oktober bei ihrer ersten europäischen Station im Flughafengebäude Tempelhof in Berlin zu sehen sein wird. Das Gespräch mit Ofir Amir findet auf Deutsch statt, mit gelegentlichen Ausflügen ins Englische.

Continue reading

Racker, wollt ihr ewig leben?

Über: Putin - Longevity im Silicon Valley - das Überleben bei Canetti - russischen Kosmismus

Smalltalk darüber, wie man möglichst gesund und möglichst lange lebt, ist eigentlich ja nichts Ungewöhnliches. Im Westen von Los Angeles oder im südlichen Prenzlauer Berg entfallen schätzungsweise die Hälfte aller Gespräche darauf. Und eigentlich gilt das Thema nicht als Grund zur Sorge, eher als Teil der Vorsorge. Trotzdem rollen geradezu Wellen des Grusels über den Globus, seit Wladimir Putin und Xi Jinping vor einer Woche am Rande einer Militärparade in Peking durch ein offenes Mikrofon dabei zu hören waren, wie sie über die medizinischen Aussichten auf die Unsterblichkeit des Menschen plauderten.

Der chinesische wie der russische Präsident sind immerhin jeweils 72 Jahre alt. Xis Bemerkung, dass Leute früher mit 70 als alt galten, heute hingegen fast noch als Kinder, ließ sich dabei noch als milde Selbstironie verbuchen. Als gespenstischer wurde Putins Entgegnung empfunden, „mit der Entwicklung der Biotechnologie“ könnten „menschliche Organe kontinuierlich transplantiert werden“, wodurch „die Menschen immer jugendlicher leben und sogar Unsterblichkeit erlangen“ könnten. Kein Wunder, dass das inzwischen rund um den Erdball und quer durch das Internet kommentiert wurde, meist in einem Sarkasmus, der ein Erschrecken zu bemänteln hatte. Die Referenzen aus dem Kulturbereich des Dystopischen sind aber auch reich.

Continue reading